Leben und Denken in Gruppen

Identität entwickelt sich nicht isoliert, sondern im Zusammenspiel mit unserem sozialen Umfeld – sie entsteht über Zugehörigkeit.

Im Buch Leben und Denken in Gruppen beschreiben Christine Pechtl und Karin Zajec in ihrem Artikel Identität und Zugehörigkeit, wie sehr die alte Idee einer völlig selbstgewählten Identitätskonstruktion zu kurz greift. In einem gruppendynamischen Verständnis entsteht unsere Identität ganz wesentlich über Zugehörigkeit:  zur Gesellschaft, zu Bevölkerungsgruppen, zu unseren Bezugsgruppen.

Schon Karl Marx wies mit seiner Erkenntnis „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“ auf diese grundlegende Bedingung unserer Selbstwahrnehnmung und Weltsicht hin. Heute verstehen wir Zugehörigkeit über einzelne Klassen hinaus intersektional – sozioökonomische Kategorien, sowie Gender und Race beeinflussen sich gegenseitig und prägen unser Sein.

Im Artikel Identität und Zugehörigkeit wird der „Gruppendynamische Raum“ als Gesellschaftstheorie beschrieben: 

Normen und Verhalten in und zwischen Gruppen sind eng verknüpft mit denen gesellschaftlicher Positionierung. Der Zugang zu Kapitalsorten (Bourdieu) wie Geld, Macht, Bildung und gesicherter Zugehörigkeit wie Staatbürgerschaft bedingen genau wie der Grad der Ausschlussgefahr und das Ausmaß der Gruppenkohäsion wie sich Menschen in Gruppen verhalten. Auch die Sicht der anderen auf die Gruppe, das Verhältnis im gesellschaftlichen Raum, ist wesentlich.

Unterschiedliche Gruppennormen sind eher verständlich und beeinflussbar, wenn diese gesellschaftlichen Bedingungen mitbedacht werden. Gut situierte Bildungsbürger*innen sind nicht einfach so liberaler und offener, sondern aufgrund ihrer privilegierten Position, Asylwerber*innen nicht nur aufgrund ihrer Herkunft Teil einer Parallelgesellschaft, sondern auch aufgrund des Umgangs der Gesellschaft mit ihnen. Rechtsextreme sind nicht genuin rückwärtsgewandt und ausgrenzend, sondern in ihrer Sicherheit in der gesellschaftlichen Positionierung bedroht.

Das Seminar Identität und Zugehörigkeit bietet die Möglichkeit, diese Dynamiken in einem gruppendynamischen Setting zu reflektieren und zu erleben.